Pferde haben eine Vergangenheit


Jedes Pferd und jedes Pony hat vor dem Kontakt mit „seinem“ neuen Menschen eine viel längere Lebensphase hinter sich als es beispielsweise ein Welpe hat, den wir mit 10 oder 12 Wochen beim Züchter kaufen.
Selbst ein Fohlen ist mindestens ein halbes Jahr alt, bis der Züchter es absetzen und verkaufen kann.
In dieser Zeit ist es in der Regel nicht wohlbehütet (wie ein Hündchen als Nesthocker) und abgeschirmt aufgewachsen. Ein Fohlen gehört zu den Tieren, die gleich nach wenigen Minuten oder Stunden auf den Beinen stehen, die Welt erkunden, sich den Umweltbedingungen stellen müssen. So kommt das junge Pferd mit anderen Tieren, Menschen, Wind und Wetter in Kontakt. Möglicherweise erlebte es sogar große Ängste, weil es von einer Minute auf die andere von seiner Mutter genommen wurde, um diese reiten zu können oder das Fohlen abzusetzen.
Einen jungen Hund lässt man bis zu seiner Abgabe bei der Mutter. Dem neuen Besitzer gibt man ein Spielzeug, eine Decke oder ähnliche Gegenstände mit, die nach „Mutter“ riechen. Das kleine Tierchen wird auf den Arm genommen, kann sich neu geborgen fühlen, hat einen starken Folgetrieb und findet sich in der Regel schnell in seinem neuen Zuhause ein.
Ein Fohlen hingegen wird nach der Trennung von der Mutter nicht auf den Arm genommen, abgelenkt, getröstet. Bestenfalls darf es diese schwere Zeit in einer Herde Gleichaltriger verbringen, die ihm etwas Trost gibt. Die Sicherheit der Herde mit ihrer klaren Rangfolge, den klaren Regeln, dem Schutz durch die Alttiere ist jedoch verloren und muss unter neuen Bedingungen in einer neuen Herde erst neu aufgebaut werden. Das ist im Grunde eine nicht artgerechte Situtation. In der Natur bleiben die Herden zusammen, die Jungtiere wachsen heran und verlassen irgendwann aus eigenem Antrieb die Herde. Junge Stuten werden manchmal von fremden Hengsten „entführt“, junge Hengste schließen sich „Junggesellengruppen“ an. In beiden Fällen kommen sie in neue, feste Herdenverbände, deren Regeln sie zwar kennen lernen müssen, die aber von Anfang an Sicherheit geben.
Lauter gleichaltrige Fohlen zusammen zu halten, ohne die Betreuung durch ältere, erfahrenere Pferde, bringt  unnötig Stress für die Tiere.
Bei einem Verkauf verlässt ein Pferd die gewohnte Umgebung und die gewohnten Herdenmitglieder. Es muss in einer neuen Herde seinen Platz in der Rangordnung finden. Die neue Umgebung, der neue Stall, die neuen Wiesen, andere Geräusche, andere Gerüche, andere Menschen machen dem Tier Angst. Zu diesem Stress soll es gleich noch erste neue Dinge lernen und mit seinem neuen Besitzer arbeiten.
Womöglich verlangt der gleich in den ersten Tagen, dass das Pferd mit ihm spazieren geht oder ausreitet. Es wird Angst haben, die neue Herde wieder zu verlassen. Noch fehlt das Vertrauen in das neue Zuhause. Nichts kann ihm sagen, dass es später zurück gebracht werden wird.

Kauft man ein älteres Pferd, so ist oftmals nicht bekannt, wie es aufgewachsen ist und wie es bisher gelebt hat oder behandelt wurde.
Nicht einmal Krankheiten sind in der Regel bekannt.