Verhalten der Pferde



    „Was heißt zähmen?“
    „Das ist eine in Vergessenheit geratene Sache“,
    sagte der Fuchs.
    „Es bedeutet: sich ‚vertraut machen‘.“

    ...

    „...wenn du mich zähmst,
    werden wir einander brauchen.
    Du wirst für mich einzig sein in der Welt.
    Ich werde für dich einzig sein in der Welt...“

    ...

    „Man kennt nur Dinge, die man zähmt“,
    sagte der Fuchs.
    „Die Menschen haben keine Zeit mehr,
    irgend etwas kennen zu lernen.
    Sie kaufen alles fertig in Geschäften.
    Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt,
    haben die Leute keine Freunde mehr.
    Wenn du einen Freund willst,
    so zähme mich!“


    (A. de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz.)



Ein Leben als jederzeit bereites, dienstbares Arbeitspferd, an der nächsten Ranch oder Poststation gegen ein neues ausgetauscht, wurde der Persönlichkeit der Pferde nicht gerecht und ist hoffentlich heute für alle Pferde Vergangenheit.

Wer artgerecht gehaltene Pferde beobachtet, wird schnell feststellen, dass in ihnen mehr steckt als ein beliebig austauschbares Arbeits- oder Reittier.

Jedes einzelne hat seinen eigenen Charakter, seine besonderen Gewohnheiten und spezielle Eigenheiten. Jedes kommuniziert auf seineWeise oder zieht sich ebenso auf  besondere Weise zurück. Jedes Pferd reagiert individuell auf andere Pferde, auf neue Situationen oder bestimmte Menschen.

Fragt man einen Menschen, dem seine Pferde nah und vertraut sind, erfährt man noch mehr über ihre vielfältigen Persönlichkeiten.
„Echte” Pferdemenschen erkennt man weder an ihren Reitstiefeln noch einem besonders teuren Sattel, wohl aber an der Art, wie sie von und mit ihren Tieren sprechen.

Wer mit Pferden vertraut ist, wird das einzelne Tier in seiner Eigenheit schätzen.
Dann ist es nicht wichtig, ob es gut springt oder schnell rennt.
Wichtig sind die Beziehungen, die entstehen: in erster Linie die Beziehung des Pferdes zu anderen Pferden, in zweiter Linie die Beziehung, die es zum Menschen aufnimmt.

Vor allem anderen muss ein Pferd als Pferd leben können, um seine Individualität auch gegenüber dem Menschen leben zu können.
Kein Pferd ist als Arbeitstier geboren, kein Pferd kann im eigentlichen Sinne „artgerecht” genutzt werden. Aber bei der Nutzung eines Pferdes und im Umgang mit ihm kann darauf geachtet werden, was es seiner Natur zufolge anbietet, wo seine Möglichkeiten  und seine Grenzen liegen.

Ein Pferd sollte die meiste Zeit des Tages mit anderen Pferden verbringen. Von ihnen lernt es, wie man miteinander umgeht. Ein Leben in der Herde ist die Basis für eine Kommunikation des Menschen mit den Tieren. Es kennt aus der Herde klare Regeln, die es akzeptiert. Das schützt Mensch wie Pferd  vor Schaden und gibt dem Pony Sicherheit.
Es sind aber keine starren Regeln. Jede Situation ist anders, jeder Mensch ist jeden Tag anders, auch das Pony ist jeden Tag anders.
Mensch und Pferd müssen sich gegenseitig respektieren und Regeln einhalten.
Ein Pony kann dann sogar albern oder auch sehr höflich sein.

Die körperliche und seelische Gesundheit der Tiere ist wichtiger als ihre Leistung.
Die gemeinsame Arbeit  muss beiden Spaß machen und darf dem Pferd weder schaden noch Schmerzen oder Stress bereiten.  So ist es im deutschen Tierschutzgesetz festgelegt.
Dennoch sehen allzu viele Pferde bei der Arbeit alles andere als glücklich aus und vielen werden ohne Not - wenn auch sicherlich oft ohne Absicht - Schmerzen zugefügt.

Wer die Natur des Pferdes berücksichtigt und seine physischen wie psychischen Grenzen anerkennt, kann jedoch ein sehr vertrautes Verhältnis zum Pferd aufbauen und viel mehr von ihm zurückbekommen, als es durch Zwang und Schmerz jemals möglich wäre.

Die Grundlage für eine harmonische Zusammenarbeit ist Vertrauen. Das Vertrauen  seines Pferdes muss der Mensch sich erarbeiten.
Durch Vertrauen lernen Pferde viele Dinge, die eigentlich nicht in ihrer Natur liegen.
Sie halten Situationen aus, vor denen sie normalerweise fliehen würden.
Fehlendes oder enttäuschtes Vertrauen führt dazu, dass Instinktverhalten an die Stelle des gelernten Verhaltens tritt. Das Pferd übernimmt dann instinktiv die Entscheidungen und die Sorge für die eigene Sicherheit selbst.


Betrachten Sie die Welt aus den Augen eines Pferdes:

Warum, glauben Sie, wird Ihr Pferd mit ihnen arbeiten wollen?
Was motiviert es dazu, Dinge zu tun, die es in der Steppe nicht tun würde?
Wird es Ihnen folgen? Tut es das freiwillig?
Wird es Spaß dabei haben?
Oder haben nur wir Menschen Spaß?
Wie werden Sie es dazu bringen können zu tun, was Sie wünschen?
Was fühlt und denkt das Tier dabei?
Empfindet es Glück in seiner Situation und mit seinem Menschen?


Wer mit einem anderen Lebewesen verantwortlich umgehen, es im besten Sinne zähmen und sich vertraut machen möchte, muss sich vor allem mit seinem arteigenen Wesen auseinander setzen.
Zu einem sicheren und harmonischen Umgang mit dem Pferd gehört die genaue Kenntnis seiner natürlichen Voraussetzungen ebenso wie das Wissen um die Möglichkeiten, die seine Lernfähigkeit ihm bietet.