Wildtiere aus der Steppe
Der erste bekannte Vorfahr der Pferde lebte vor 20 Millionen Jahren, war groß wie ein Hase und huschte in den Wäldern Europas, Asiens und Nordamerikas durch das Unterholz. Er fraß Laub. Das
Urpferdchen bewegtes sich noch mit vorne vier und hinten drei Zehen über den weichen Waldboden.
Auch in Deutschland wurden versteinerte Überreste dieser Tiere gefunden. Später verliert sich in Europa die Spur. Das Urpferdchen war über die damals trockene Beringstraße nach Nordamerika
ausgewandert. Auf dem amerikanischen Kontinent entwickelten sich im Grasland einzehige Pferdevorfahren. Pflanzenfressergebiss, Hufe und eine Größe um 1,20 m Schulterhöhe waren wichtige
Anpassungen an das Leben in der Steppe und die harte Pflanzennahrung.
Immer wieder wanderten Pferde-Vorfahren über die zeitweise trockene Beringstraße, nach Asien und Europa bis sogar bis Afrika. Diese Arten starben wieder aus. Erst vor etwa 2 Millionen Jahren gelangte
der direkte Vorfahr unserer Hauspferde, das Urwildpferd, über Asien nach Europa. In Amerika verschwanden die Pferde. Als die Wikinger im 11. Jh. n. Chr. in Amerika landeten, gab es dort keine Pferde
mehr. Erst nach der Neuentdeckung Amerikas durch Kolumbus brachten europäische Einwanderer wieder Pferde nach Nordamerika. Alle amerikanischen „Wildpferde“ stammen von diesen Importtieren ab
und sind verwilderte Hauspferde.
Die Urwildpferde breiteten sich in den letzten zwei Millionen Jahren in den Steppen Asiens und Europas, im Flachland und im Gebirge aus. Die Höhlenmenschen malten vor mehr als 30.000 Jahren
Wildpferde an die Wände ihrer Kultstätten. Höhen-Zeichnungen ähneln den letzten Wildpferden Russlands und einigen noch lebenden, besonders ursprünglichen Ponyrassen.
Menschen jagten Wildpferde, um sie zu essen und die Felle zu verwenden.
Seit dem 5. Jahrtausend vor Christus wurden in Europa und Asien Pferde zur Fleischgewinnung sowie als Trag- und Zugtiere als Haustiere gehalten. Wenig später wurden sie auch geritten.
Die letzte Urwildpferderasse wurde in Russland entdeckt und nach ihrem Entdecker „Przewalski-Pferd“ genannt. Die Art starb Ende des 19. Jh. in Freiheit aus. Wenige Exemplare überlebten in Zoos.
Noch heute gibt es Pferderassen, die mit den Urwildpferden sehr nahe verwandt sind. Dazu gehören Tarpan (Rückzüchtung aus Przewalski-Pferd und Konik), Konik, Exmoor Pony, Fjordpferd, Highland Pony,
Senner und Sorraia. Vermutlich sind Senner (Deutschland) , Sorraia (Portugal) und Konik (Polen) direkte Nachkommen des Urwildpferdes. Andere ursprüngliche Rassen leiten sich von diesem Stamm ab
und entstanden durch Kreuzung wildpferdnaher Rassen.
Einige Pferderassen sind genetisch und züchterisch interessant, weil sie Merkmale aufweisen, die es sonst bei keiner anderen Pferderasse mehr gibt. Besonders bedeutsam und gleichzeitig besonders
gefährdet sind Konik, Senner und Sorraia als direkte und nach heutiger Erkenntnis fast unvermischte Nachfahren der Wildpferde.
Weil sich die Ansprüche an Pferde im Laufe der Zeit änderten, wurde die Zucht vieler Landrassen vernachlässigt. Heute stehen viele Rassen am Rande des Aussterbens.
Für Freizeit und Sport züchtet man sportliche, elegante Tiere. Die alten Typen gerieten in Vergessenheit.
Alle Hauspferde tragen noch die Anlagen ihrer wilden Vorfahren in sich. Sie haben deren Körperbau und Verhaltensweisen geerbt. Überlagert werden diese Eigenschaften von Veränderungen aus
jahrtausendelanger Zucht und Nutzung.
Das Hauspferd ist wie sein wilder Vorfahre angepasst an die Lebensbedingungen der Grasländer. Sie leben mit kalten Wintern und heißen Sommern, nassen und trockenen Perioden, Tag und Nacht, nach den
Regeln einer Herde, mit dem unterschiedlichen Futterangebot im Laufe des Jahres, mit Geburt, Krankheit und Tod.
Wilde Pferde wissen, welche Kräuter sie fressen müssen, wenn sie krank sind. Sie kennen die besten Futter- und Wasserstellen, sichere Ruheplätze und die Gefahren ihrer Umgebung. Sie sind angepasst an
das Leben in einer weiten, offenen Landschaft, in der man bis zum Horizont schauen kann.
Das ist auch das Erbe der Tiere, die seit Jahrhunderten vom Menschen in enge Ställe gesperrt wurden und dem Menschen dienen mussten. Viele überlebten die Arbeit in Bergwerken, im Wald oder auf dem
Feld nur wenige Jahre. Heute müssen sie sich den Anforderungen des Reitsports stellen, der oft noch schlechtere Lebensbedingungen mit sich bringt.
Vor allem in den letzten 100 Jahren mussten Pferde sich mit immer wieder neuen Erscheinungen auseinander setzen: asphaltierte Straßen, riesige Landmaschinen, Verkehrschaos, Autobahnen,
Bewässerungsanlagen und durch Veränderung der Landwirtschaft verändertes Futter.