Lerninhalte


Was lernen Pferde?    (Möglichkeiten und Grenzen)

Was kann ich von ihnen wie und wann verlangen?
Wo sind sie überfordert?
Wo gehe ich zu weit in dem, was ich von ihnen erwarte?
Wo endet Forderung und wo beginnt Überforderung?

Als Erstes lernen Pferde, wie sie ein Gegenüber einzuschätzen haben. Manche testen geradezu aus, was man von diesem oder jenem Menschen halten kann.
Haben sie eine Ahnung davon, wie sich der Mensch zu ihnen verhält, sind sie in der Lage, ihr Verhalten anzupassen.
Aggressives Verhalten des Menschen kann das Pferd lehren, sich besser fern zu halten oder das Heil im Gegenangriff zu suchen.
Betont zurückhaltendes Verhalten des Menschen ist für viele Pferde schwer einschätzbar, da sie keine Führungsqualitäten erkennen können und somit selbst die Verantwortung für das eigene Wohl übernehmen. 
Ängstliches Verhalten bestätigt einem Pferd die angeborene Grundangst und versetzt sie in ständige Alarmbereitschaft, weil sie sich alleine und nicht durch die Herde oder einen Herdenchef geschützt fühlen.
Für Pferde wohl am besten einzuschätzen ist ein klares, eindeutiges, nicht zu leises und nicht zu lautes, immer präsentes, gleichzeitig einfühlsames Verhalten des Menschen.
Lässt der Mensch sich nicht von allem und jedem aus der Fassung bringen, bleibt er auch in Krisensituationen souverän, so wird das Pferd bereit sein, ihm zu vertrauen und seine Wünsche zu erfüllen.

Als nächstes wird das Pferd lernen, die andere Sprache des Menschen zu verstehen. Hiermit sind weniger Worte gemeint als nonverbale Signale, die es zu interpretieren gilt (viele Tiere werden unsicher, wenn jemand weint) oder Codes, die eine Verständigung gezielt ermöglichen sollen (die sog. „Hilfen“).

Mit den zunächst für das Pferd neutralen Signalen des Menschen muss das Pferd Situationen, Bewegungen oder Zusammenhänge assoziieren lernen. Die neutralen Signale/Reize müssen zu bedingten Reizen werden, die wiederum bedingte Reflexe  oder auch komplexe, bewusste Handlungsabläufe induzieren.
Viele Signale wird es aus dem Sozialverhalten unter Artgenossen kennen:
‒    Weichen auf Druck (wer ist oben, wer unten, wer verdrängt wen?)
‒    Rangordnung (wer geht, frisst, trinkt zuerst?)
‒    Drohung (Lautstärke, schnelle Bewegungen)
‒    soziale Fellpflege (Kraulen)


Andere Signale muss es gänzlich neu lernen, weil sie in seinem Lebensraum so nicht vorkommen. Es muss quasi Vokabeln lernen.
Lernt es diese Vokabeln durch Bestätigung oder Belohnung, wird es von sich aus bestrebt sein, dieses Erfolgserlebnis zu wiederholen.
Irgendwann weiß es dann, dass z.B. ein angelegter Schenkel „vorwärts gehen“ heißt oder ein Finger vor der Brust „rückwärts gehen“.
Ist es lernbegierig und schlau, wird es bald raus haben, dass es auch Wörter gibt, die das gleiche bedeuten und wird stolz sein, den Befehl schon vor oder im Ansatz einer körperlichen Einwirkung verstanden zu haben.
Hat es seine Lektionen gelernt und ist motiviert, braucht es nur noch wenig mehr als Gedanken: das Pferd lässt sich ohne Zügel mit minimalen Signalen reiten und zeigt seinen Spaß an der Sache.
Zumindest tun meine Highländer das.  (Meistens - denn manchmal ist das Gras grüner) Sie wissen, dass von mir Lob kommt. Futter  braucht es dazu irgendwann nicht mehr. Aber sie freuen sich trotzdem darüber ;-)

Manchmal gibt es Situationen, in denen Pferde überfordert sind.
Als Mensch kann ich das oftmals voraussehen. Gleich ob das Pferd mit seinen Ängsten Recht hat oder sich die Monster nur einbildet: in einer Situation der Unsicherheit kann es nicht lernen!
Alle Funktionen sind darauf ausgelegt, im Notfall seine Haut zu retten.
Wenn man der Situation nicht entgehen bzw. sie vermeiden kann (z.B. an einem nicht so stürmischen Tag auf dem Platz lernen, dass da keine Monster sind), dann sollte man zumindest dafür sorgen, dass das Pferd die Angst nicht mit dem Reiter verbindet. Im Gegenteil, es soll dann wenigstens lernen, dass bei mir Sicherheit herrscht. Es soll sich erschrecken, soll scheuen, soll notfalls weglaufen. Es wird sehen, dass mir nichts geschieht, dass mein Hund keinerlei Notiz von der vermeintlichen Gefahr nimmt und letztendlich wird es sich besser fühlen, wenn es sich doch wieder zu seinem Menschen gesellt. Kann es das nicht, dann reicht vermutlich das Vertrauen noch nicht aus.

Jetzt mag man einwenden, der Hengst treibe seine Jungpferde auch notfalls kraft seiner Chefgewalt durch eine Gefahrensituation. Muss ich das dann als Mensch dem Pferd gegenüber auch können, wenn ich dessen Alpha-Tier sein will?
Muss das Pferd mir als Ranghöherem (aber immer noch Mensch) in jeder Situation  folgen?
Möglicherweise kann man diese Frage theoretisch bejahen und auch wissenschaftlich untermauern; eine andere Frage ist aber, ob ich das dem Pferd gegenüber wirklich mit Macht durchsetzen kann.
Ein ranghohes Pferd setzt auch seine körperliche Überlegenheit ein, wenn es Not tut. Dies kann ich als Mensch definitiv nicht - es sei denn, ich setzte durch Gewaltanwendung das Vertrauen gänzlich aufs Spiel und ginge das Risiko ein, jedem positiven Gefühl und damit der Möglichkeit zu lernen die Grundlage zu entziehen.