Lernverhalten nutzen


Wie nutze ich das Lernverhalten?    (Praktische Umsetzung und Konsequenzen)

Was kann ich wie vermitteln?
Welche Umstände führen zu optimalem Lernen?
Sind Lernerfolge rückgängig zu machen?
Wie viele Lehrer/Reiter verträgt ein Pferd?

Bei Kindern wurde bereits vor gut 100 Jahren entdeckt, dass jedes anders und individuell lernt. Man erkannte, dass Kinder eine Affinität zum Lernen, zur Erkundung immer neuer Situationen besitzen. Darin erkannte man die Grundlage der Bildungsfähigkeit und Bildungswillligkeit von Kindern.
Die biologische Ähnlichkeit sollte Rückschlüsse auf die Lernmotivation der Tiere zulassen.
Inzwischen ist nachgewiesen, dass Menschen und Tiere tatsächlich so etwas wie „sensible Phasen“ haben, in denen sie für bestimmte Lerninhalte besonders aufnahmefähig sind.
Pferde lernen in gewissem Alter bestimmte Dinge, die sie später dann nur noch schwer oder gar nicht mehr lernen.
Ganz junge Fohlen sind sensibel für die Wunder ihrer neuen Welt, sie entdecken immer ein kleines Stück weiter, lernen sich auf die Sicherheit der Mutter zu verlassen und eigene Schritte zu tun.
Man kann weiterhin eine Phase des sozialen Lernens vermuten, während der das Fohlen den Umgang mit Altersgenossen sucht und spielerisch die Grundregeln des Rangordnungsverhaltens lernt.
In einer anderen Phase übt es Angriffs- und Verteidigungsverhalten, wobei die inzwischen klaren Rangordnungsregeln spielerisch und kurzfristig außer Kraft treten.
Ältere Pferde scheinen viele dieser Phasen mehr oder weniger abgeschlossen zu haben. Sie spielen weniger, zeigen dafür aber Interesse für Dinge, die eigentlich gar nicht mit dem Pferdeleben an sich zu tun haben. Sie sind dann ausdauernder und ruhiger in ihrem Erkundungsverhalten. Das arteigene Beobachtungsverhalten zum rechtzeitigen Erkennen von Gefahren wird dann auf andere Interessengebiete ausgeweitet.
Das Überleben ist gesichert, Fressfeinde sind nicht zu beobachten, die Aufmerksamkeit wird auf andere Dinge gelenkt. 
So stehen erwachsene Pferde fasziniert beobachtend am Zaun, als gäbe es jenseits dessen Kino. Oder sie untersuchen Gegenstände und Personen, wollen bei allem helfen und am liebsten selbst die Bohrmaschine bedienen oder die Mülltonne wegräumen.

Um die Lernphasen eines Pferdes ausnutzen zu können, braucht es vermutlich mehr Fingerspitzengefühl als jahrhundertelang üblich.
Solange Pferde als Wirtschaftsfaktor „funktionieren“ mussten, konnte man kaum Rücksicht auf ihr Befinden oder ihre Leistungsfähigkeit nehmen. Es wurde gerade so mit ihnen gearbeitet, dass
sie lange wirtschaftlich nutzbar waren. Ihre Lebensumstände waren sicherlich nicht immer so, dass sie ein „schönes Leben“ hatten.

Jedes Pferd sollte nur so lernen, wie es kann. Dann ist die Aussicht auf Erfolg groß - mit dem Ziel einer harmonischen Beziehung zu einem verlässlichen Freizeitpartner.

Das bedeutet in letzter Konsequenz eigentlich, dass es ein Lebensumfeld braucht, in dem es  seinen arteigenen Bedürfnissen nachkommen kann.
Es darf so schnell oder langsam lernen wie es seine Natur ihm vorgibt.
Will man mit einem Pferd arbeiten, seine Freizeit verbringen oder Leistungen von ihm verlangen, so sollte es im Idealfall „mit Familienanschluss“ leben.
Für seine Ausbildung ist viel Zeit und Ruhe notwendig. 
Ein Pony zur Ausbildung für einige Wochen oder Monate weg zu geben, käme dann nicht mehr in Frage - so freundlich und tiergerecht die Ausbildung beim einzelnen Profi auch sein mag.