Impressionen aus dem Alltag


Alltagsimpression I - Ein Pferd im Reitstall

Nach langer Suche hast du „dein“ Pony und den passenden Stall gefunden. Die Leute sind nett, das Pferd kommt täglich auf die Koppel. Lange Sommerabende laden zu einem Ritt nach der Arbeit ein. Und dann kommt der Alltag - und der Winter. Nach der Arbeit fährst du abends schnell noch zum Pferd. Es regnet in Strömen, der Reitplatz steht unter Wasser, langsam wird es dunkel, das Pony ist nass und schmutzig. Du zerrst es aus dem Matsch und wünschst dir insgeheim eine saubere Box. Endlich ist auch die letzte Unterrichtstunde in der Halle zu Ende. Auch wenn es schon spät ist, raffst du dich auf und reitest noch ein bisschen. Die meisten Pferde kennen sich von der Koppel, die Reiter kennen sich - je nach Beruf und Gewohnheit - kaum. Irgendwann verliert einer die Kontrolle, ein Pony stürmt los. Ein anderes tritt aus, ein drittes wird angerempelt. Ein Reiterknie ist geprellt nach Kontakt mit der Bande. Dein Pony hat einen Tritt abbekommen. Nach dem Absatteln wird eine leichte Schwellung am Unterkiefer sichtbar. Ob der fremde Hinterhuf doch den Kiefer erwischte? Alles ging so schnell. Es blutet nichts. Noch ein bisschen Heu zur Belohnung - und das Pferd kann nicht richtig kauen, die Backe schwillt an. Du rufst den Tierarzt. Er ist bei einem Notfall. Bereits halb zehn und morgen musst du ausgeschlafen zur Arbeit. Der Stallbetreiber verspricht, dem Tierarzt das Tor offen zu lassen. Du bleibst aber lieber selbst da. Ehrensache! Gegen Mitternacht rollt ein genervter und übermüdeter Tierarzt auf den Hof. Dein Pony ist nervös, hat Angst und Schmerzen. Nicht so schlimm, wenigstens die Zähne und der Kiefer haben nichts abbekommen. Ein abschwellendes Medikament soll helfen. Heu kann das Pony so nicht richtig fressen. Der Stallbesitzer muss informiert werden. Wann hatte der eigentlich Feierabend? Es stellt sich heraus, dass gar keine Heucobs mehr da sind. Nicht für heute Abend, nicht für morgen. Morgen kommt außerdem gleich um sieben der Schmied. Der Stallbetreiber kann also nichts besorgen. Du klingelst nach einer kurzen, schlaflosen Nacht in aller Herrgottsfrühe eine Freundin aus dem Bett und bittest sie, an der Genossenschaft doch schnell einen Sack Heucobs zu besorgen und zum Stall zu fahren. Vielleicht kann sie sie dann auch eine halbe Stunde einweichen und, wenn sie schon mal da ist, das Pony auch gleich damit füttern, damit es trotz Schmerzen genug frisst? Dein Termin ist wichtig, du bist schon auf dem Sprung. Abends wirst du dann sehen, was dich erwartet. Eigentlich wolltest du erst am Wochenende wieder zu ihm fahren.

Alltagsimpression II - Ponys hinter dem Haus

Wiehern und Brummeln, wenn der Wagen nach der Arbeit auf den Hof rollt. Die Tür geht auf, der Hund tanzt. Jetzt dürfen die Ponys auf die Wiese. Währenddessen wird der Stall gemistet, die Wiese abgeäppelt, die Wasserwanne geschrubbt. Viel Gras wächst zu dieser Jahreszeit nicht mehr nach. Ein Pony steht abseits. Die Lippe hängt runter, der Maulwinkel ist geschwollen, der Lymphknoten auch. Es frisst nicht, trinkt nicht. Ein Insektenstich? Die Tierärztin verspricht, sofort zu kommen und auch die Wurmkuren gleich mitzubringen. Mit einer Spritze sollte es bald wieder gehen. Weiches Futter wird er brauchen. Davon ist noch  da - vorsichtshalber auf Vorrat - meist kommt sowas plötzlich oder über Weihnachten. Jetzt noch schnell einen ausgebrochenen Huf raspeln; wenn es den einem Kumpel über den Pelz haut, kann der Tierarzt gleich wieder kommen. Nicht vergessen, die Ekzemer einzureiben. Routine. Sonst schubbeln die über Nacht die Mähne ab. Zum Reiten bist du nicht gekommen. Abends will der Patient schon wieder Heu. Während der Nacht klingelt zwei Mal der Wecker. Das wäre eigentlich gar nicht nötig, du kannst ohnehin kaum schlafen. Man sollte nachsehen, ob das Pony in Ordnung ist. Wenigstens keine Kolik. Dann wäre erst Recht Nachtschicht angesagt. Morgens um sechs ist die Welt wieder in Ordnung. Alle fressen und sind zufrieden. Nur der Fünfte war wieder da und hat die Raufe kaputt gemacht. Von Deinen Ponys war das bestimmt keiner! Du kannst beruhigt zur Arbeit fahren. Nachmittags ruft der Bauer an. Er hat vor dem Regen Heu eingefahren, bringt es am Abend. Wer kann beim Abladen und Aufstapeln helfen? Diese Ladung reicht lange nicht bis nächsten Herbst. Hoffentlich bleibt das Wetter. Während du bei 30 Grad unter dem Scheunendach Heu stapelst, freust du dich insgeheim auf den Winter. Dann musst du zwar die zugefrorene Wasserwanne auftauen, gefrorenen Mist abkratzen, bei Wetterwechsel mit Koliken rechnen, aber es gibt keine Bremsen, die Brennnesseln wuchern nicht in die Zäune und du hast endlich mal wieder Zeit zum Reiten - wenigstens, solange der Sand in der Halle nicht friert... Für heute schaust du den Ponys beim Abendessen zu und freust dich auf die Dusche.


Man liest hier nicht Szenen mit Bilderbuchwetter und Wiesenglück.
Der Alltag mit Pferden ist anders als im Film.
Er ist ein Traum - jedoch nicht so offensichtlich traumhaft wie in Prospekten und Zeitschriften.
Manchmal hat er auch ein bisschen von einem Alptraum. Leider.
Der Alltag ist oft anstrengend, überraschend, manchmal ein bisschen chaotisch und katastrophal - auf jeden Fall abwechslungsreich und niemals langweilig.
Manchmal ist es „nur“ das sanfte, leise Schnauben des Ponys, das dir den Einsatz bei Hitze und Kälte, bei Tag und Nacht dankt. Wenn du Glück hast, belohnt es deine Mühe mit langen Ausritten bei Sonnenuntergang.


Hunderte Pferdebücher über Kauf und Haltung von Pferden wurden geschrieben. Neueste Erkenntnisse, altes Wissen und gute Ratschläge zu Pferdekauf, Fütterung, Krankheiten oder Stallbau finden sich in vielen Werken.  Aus all diesen Büchern kann man sehr viel über Pferde und ihre Haltung lernen. Leider sind die entscheidenden Informationen, die einen künftigen Pferdehalter auf den Alltag mit seinem Tier vorbereiten, auf viele Einzelwerke verteilt. Für Menschen ohne Vorbildung in Sachen Pferd sind die relevanten Informationen nicht ohne weiteres herauszufinden.

Wer nicht nur ab und zu auf einem Reitschulpferd sitzen, sondern eine enge Beziehung zu einem Pferd möchte, sollte sich vorher eine ausreichend realistische Vorstellung von der Pferdehaltung bilden.
Nur dann kann man ermessen, ob die eigenen Vorstellungen ausreichend realistisch, die Voraussetzungen geeignet sind und man sich dieser Aufgabe gewachsen fühlt.
Über den Reitunterricht oder auch eine Reitbeteiligung  kann jeder Pferdefreund ohne großen finanziellen oder persönlichen Einsatz erste Schritte im Zusammensein mit Pferden machen. Verständige Reitlehrer oder Pferdehalter werden  schnell ein realistisches Bild vom Leben mit Pferden vermitteln.
Die Verantwortung für ein eigenes Pferd braucht mehr als nur einen Stall und ein paar Ballen Heu.
Die Anschaffung eines eigenen Pferdes sollte daher gut überlegt sein. Gerade Ponys ursprünglicher Rassen werden weit über 30 Jahre alt. Es wird von Pferden mit einem Alter von über 60 Jahre berichtet. Das sind Ausnahmen.
    Wer heute sein erstes eigenes Pony kaufst, wird es - bei guter Gesundheit und mit ein bisschen Glück - vielleicht noch besitzen, wenn man schon fast Großvater oder Großmutter ist. Das ist eine lange Zeit. Wie wird dann das Leben - mit dem alten  Pony - sein?

Ein unkompliziertes, gesundes Pony kostet in Vollpension in der kleinen Herde des benachbarten Landwirts pro Jahr nicht mehr als eine Urlaubsreise mit Vollpension. Es kann das ganze Jahr über problemlos geritten oder gefahren werden, benötigt den Tierarzt womöglich nur für die Impfungen.
Ein Pony mit Sommerekzem, Hufrehe oder Verletzungen dagegen stellt ganz andere Ansprüche. Es braucht viel öfter den Tierarzt oder den Hufpfleger, eine besondere Haltung, besonderes Futter, passende Herdenkameraden, kann nicht Tag und Nacht auf die Wiese gehen und ist vielleicht nur eingeschränkt reitbar.
Kaum ein zukünftiger Pferdebesitzer rechnet ernsthaft damit, dass ausgerechnet sein Traumpferd zu jenen gehören könnte, die durch besondere Voraussetzungen, Krankheiten oder Probleme auch besondere Ansprüche an die Haltung stellen könnte. Genau hinzusehen  und die Bedürfnisse des einzelnen Tieres zu beachten ist schwieriger als es zunächst den Anschein hat. Beim Kauf sind chronische Krankheiten der Atemwege, des Stoffwechsels oder Folgen späterer Verletzungen nicht immer abzusehen. Selbst ein Pfori kann nicht alle Probleme erkennen und alle Folgen ermessen. Individuelle Eigenheiten jedoch wirken sich stark auf die Umstände der Haltung, das Engagement des Besitzers, die Verwendungsmöglichkeiten für das Tier und auch die Kosten der Haltung aus.

Je intensiver man mit den Pferden umgeht, je mehr man von ihnen und über sie lernt, umso komplexer zeigen sich die Schwierigkeiten, ihnen eine zu ihren individuellen Bedürfnissen passende und artgerechte Haltung zu bieten.

Pferdehalter sind nicht mehr natürlicherweise Landbesitzer oder Landwirte, verfügen in der Regel nicht über ausreichend praktische Erfahrung im Umgang mit Futtermitteln, Wiesendüngern und eingefrorenen Wasserleitungen. Pferdehalter sind selbst als langjährige Reiter nicht unbedingt darauf vorbereitet, ein Pferd ganzjährig und rund um die Uhr zu versorgen, Krankheiten oder Verletzungen einzuschätzen, das Tier dem Tierarzt vorzustellen, es auf Schmied oder Zahnarzt vorzubereiten oder auch nur mit einem Landwirt über die nächste Heu-Lieferung zu verhandeln.

Jeder Pferdehalter sollte in der Lage sein, die bestmögliche Unterbringung für sein Pferd zu finden. Er sollte sich soweit mit den Spezialgebieten rund um das Pferd auskennen, dass er einen geeigneten Huf- oder Zahnfachmann, Tierarzt, Heu-Lieferanten, Transporteur oder Urlaubsvertreter finden kann.
In Notfällen sollte jeder Pferdehalter selbst und unverzüglich kompetent handeln können.
In eine solche Situation kommt man schneller als man denkt.

Artgerechte Pferdehaltung ist nicht nur ein Thema für Menschen, die ein eigenes Pferd haben (möchten).
Auch diejenigen, die fremde Pferde nutzen, sollten die Lebensumstände der Tiere beurteilen können.
Ein  Reiter sollte bewusst entscheiden, welche Pferdehaltung er mit seinem Geld unterstützt. Schlecht gehaltene Schulpferde gibt es überall in Deutschland. Gut gehaltene Schulpferde gibt es nur dann, wenn Reitschüler ihr Geld sinnvoll und gezielt investieren. Entscheidend sind für den Reitschüler nicht nur die Kosten. Ein gut gehaltenes, zufriedenes Schulpferd verhält sich ganz anders zum Menschen als ein Tier, das seine Bedürfnisse nicht befriedigen kann. Ursache schwerer Unfälle im Umgang mit Pferden ist oft eine nicht artgerechte Haltung. Zufriedene Pferde sind durch das Leben in der Herde ausgeglichen und haben ihren Bewegungsdrang unter ihresgleichen ausgelebt. Ungeeignete Lebensumstände machen manche Pferde unkontrollierbar. Reine Stallpferde explodieren förmlich, sobald sie sich endlich die Beine vertreten dürfen. Dabei nehmen sie dann keine Rücksicht auf einen Reitschüler. Reitschüler haben besonders wenig Erfahrung und sind damit einer zusätzlichen Gefahr ausgesetzt.

Nicht nur Wissen über die Pferde an sich, sondern auch über die Vergangenheit und die Voraussetzungen des eigenen Pferdes als Individuum müssen bedacht werden. Pferde können ausgeprägte Persönlichkeiten sein. Daraus erwachsen sehr individuelle Bedürfnisse.

Die erste und wichtigste Entscheidung vor dem Kauf eines Pferdes ist die über seine Unterbringung und Versorgung.
Wo, mit wem und bei wem soll das Pferd leben? Will und kann man sein Pferd selbst halten oder gibt man es in Pension? Wie findet man einen geeigneten Stall?
So leicht wie es auf den ersten Blick scheinen mag ist diese Frage nicht zu beantworten und die Folgen dieser Entscheidung nicht einzuschätzen.
Der eine oder andere Pferdehalter wünschte sich ein Pony, das er im nahegelegenen Reitstall unterzubringen gedachte. Über kurz oder lang fand er sich dann in einem eigenen alten, sanierungsbedürftigen Bauernhaus inmitten von Wiesen auf dem Land wieder und verbrachte seine Sonntage beim Stapeln von Heu oder seine Nächte beim kranken Pony im Stall.

Viele dieser Aspekte sollen im Folgenden beleuchtet werden.

Im ersten Band wurden die biologischen Voraussetzungen der Pferde für Reiten und Umgang beleuchtet.
Die gleichen biologischen Voraussetzungen sind auch für die Haltung eines Pferdes relevant.
An einigen Stellen wird es notwendig sein, wichtige biologische Aspekte über Pferde aus dem ersten Band zur Erklärung wieder aufzugreifen.


Esel sind keine Pferde... aber...

Viele der folgenden Anmerkungen gelten sinngemäß auch für Esel.
Diese Tiere sind zeitweise „in Mode“. Vielleicht ist das so, weil sie „anders“ sind als ein „gewöhnliches“ Pferd oder Pony. Nur wenige Menschen wissen jedoch um die starke Persönlichkeit und Individualität eines Esels. Ein Esel ist meist ein „stärkerer“ Charakter als ein Pferd oder Pony. Wer sich für einen Esel entscheidet, muss sich besonders über diese eigene Tierarzt informieren. Diese Tiere ertragen schlechte Haltung noch weniger als die meisten Pferde. Weil sie sehr intelligent sind, wissen sie sich auch vor schlechter Behandlung oder Gefahren zu schützen. Das wird ihnen dann als Sturheit oder Dummheit ausgelegt.

Esel sind als Einhufer zwar nahe verwandt mit den Pferden, aber sie unterscheiden sich von diesen biologisch in vielerlei Hinsicht. Vor allem ist zu bedenken:
Esel sind in den warmen Steppen, den Halbwüsten und Gebirgswüsten der Erde zu Hause. Sie reagieren auf schlechte Haltung  in unserem Klima noch stärker und haben in vielerlei Hinsicht noch höhere Ansprüche an ihre Haltung als Pferde und Ponys. Vor allem Nässe dürfen sie nicht schutzlos ausgesetzt werden. Wenn das eigentlich auch für Pferde und Ponys selbstverständlich sein sollte, tolerieren Ponys mit ihrem dicken Winterfell eine schutzlose Haltung meist eine gewisse Zeit lang. Esel jedoch werden unter den gleichen Bedingungen sehr schnell krank.


Esel sind besonders karges Futter gewöhnt. Eine grüne Wiese ist - wie für viele Ponyrassen - nicht uneingeschränkt artgerecht.
Esel sind aufgrund ihres Knochenbaus weitaus weniger belastbar als gemeinhin vermutet.
Esel stammen in Deutschland häufig aus ungeplanter Vermehrung, haben entsprechende Gesundheitsschäden und eine unergründbare Vergangenheit. Häufig wirkt sich das nachteilig auf den Körperbau, die Nutzbarkeit und ihr Verhalten aus.
Esel reagieren anders auf Medikamente als Pferde. Ihr Stoffwechsel verarbeitet bestimmte Substanzen schneller, andere langsamer. Darüber muss der behandelnde Tierarzt rechtzeitig informiert sein. Nicht jeder weiß darüber ausreichend Bescheid.
Eselhufe sind hart, müssen aber speziell und genauso intensiv gepflegt werden wie die der Pferde. Nicht jeder Hufschmied kennt sich damit aus.