Kommunikative Tiere


Freizeit-, Sport- oder Arbeitspferde sind halbwild nicht sinnvoll zu halten. Sie sollten in engem Kontakt mit dem Menschen aufwachsen. Sie müssen schon jung lernen, sich in der Welt der Menschen zurecht zu finden. Am Haus aufgewachsene Fohlen lernen wie selbstverständlich den Umgang mit dem Menschen und bringen dann bessere Voraussetzungen für ein Leben z.B. als Reitpferd mit.
Bei guten Züchtern wachsen die Jungtiere auf weitläufigen Wiesen in der Herde auf und lernen das richtige Sozialverhalten unter Pferden. Früh lernen sie aber auch schon den Umgang mit Menschen kennen. Stresssituationen erleben sie mit ihrer Mutter. Sie lernen die Zivilisation in Form von Straßen, Maschinen, Menschen, Hunden etc. kennen. Später können sie dann viel entspannter lernen, ein Reitpferd zu werden.

Jungpferde sind oft sehr verspielt und sehen Menschen - bis sie es besser gelernt haben - wie Ihresgleichen als Spielpartner an. Dem sollte man früh Einhalt gebieten. Schnell übersteigen die Kräfte eines Fohlens die des Menschen. Einmal gelernte, unerwünschte Verhaltensweisen sind nur schwer wieder abzugewöhnen.
So positiv auch enger Kontakt mit dem Menschen für Jungpferde ist, so klar müssen auch die Regeln sein. Jungpferde brauchen für ihre artgerechte Erziehung vor allem Platz, Freiraum, gut sozialisierte ältere Pferde und gleichaltrige Spielkameraden.
    Die Aufzucht eines einzelnen Fohlens im Stall hinter dem Haus ist keine gute Lösung für das Tier und keine gute Investition in seine Zukunft. Fohlen sollten in Fohlenherden aufwachsen. Spätestens nach dem Entwöhnen sollte man ein einzelnes Fohlen daher zur weiteren Aufzucht in eine geeignete Herde geben.

Erwachsene Pferde suchen in unterschiedlicher Intensität die Nähe des Menschen. Bei gleicher Gelegenheit zur Kontaktaufnahme gibt es Tiere, die jede Möglichkeit nutzen, „ihre” Menschen zu begrüßen, sich kraulen zu lassen, mit ihrem Menschen zu „reden”. Andere sind zurückhaltender, bleiben eher auf Abstand, beobachten aus der Distanz. Wieder andere meiden eher den Kontakt zum Menschen, stehen gerne alleine, brauchen ihren Freiraum.
Das Konzept einer artgerechten Stallanlage sollte allen Charaktere einer Herde gerecht werden.
Gerade bei einer Haltung in Eigenregie kann man Möglichkeiten schaffen, dass Pferde den Menschen zusehen, bei ihnen sein können und andere Stellen, an denen sie sich ungestört zurückziehen können.

Das individuelle Verhaltensmuster des einzelnen Pferdes gibt uns dann auch Anhaltspunkte, mögliche Probleme und Krankheiten rechtzeitig zu erkennen. Wenn ein normalerweise eher aufdringliches und sehr neugieriges Pferd sich plötzlich nicht sehen lässt oder ein sonst zurückgezogenes Tier einem nicht mehr von der Seite weicht, sind das oft Hinweise auf Unwohlsein, Angst oder Krankheiten.
Pferde teilen auch mit, was gerade in der Herde los ist. Einige signalisieren durch ihr „merkwürdiges” Verhalten - sofern man ihnen den entsprechenden Bewegungsfreiraum und die Gelegenheit zur Kontaktaufnahme ermöglicht - wenn ein anderes Tier krank oder verletzt ist.
Sogar defekte Zäune oder abgerissene Absperrungen können einige Tiere „melden”. Natürlich werden sie nichts über den Hergang oder den Verursacher erzählen können, aber es ist schon viel wert, wenn ein Pony „Bescheid gibt”, dass irgend etwas nicht stimmt.

    Pferde, die besondere Angewohnheiten haben, können wir als Mensch besonders leicht „lesen”. Ein krankes Pferd stellt meist als erstes sein „Hobby” ein, wenn es ihm nicht gut geht. Ein Pony, das regelmäßig alle Futtereimer der Herde einsammelt, wird dies an einem Abend vielleicht lustlos oder desinteressiert tun. Ein Pony, das zu einer bestimmten Zeit immer an einem bestimmten Platz  am Zaun steht, bricht diese Regel plötzlich und steht zur Unzeit im Stall. Beides können z.B. Hinweise auf eine beginnende Kolik oder eine Verletzung sein.


Pferde reagieren sehr sensibel auf Stimmungen oder Befindlichkeiten anderer. Herdenmitglieder werden geschützt - oder gejagt - wenn sie Schwächen oder Krankheit zeigen. Ihrem Menschen begegnen sie in Reaktion auf dessen Stimmung besonders vorsichtig, besonders „rücksichtslos” oder auch regelrecht albern.
    Auf schlechte Laune ihres Menschen reagieren viele Pferde gereizt, genervt und schreckhaft.  Ist der Reiter besonders guter Stimmung, so überträgt sich das gleich auch auf das Pony. Ist er traurig und ohne Energie, so nutzen manche Pferde das aus um ihre eigenen Wege zu gehen, andere benehmen sich besonders rücksichtsvoll und zugewandt, weichen ihrem Menschen nicht mehr von der Seite.

Auch auf Hunde reagieren viele Pferde stark. Fremde Hunde werden je nach Situation und Verhalten des Hundes freundlich begrüßt oder aber auch angegriffen.
Zu bekannte Hunden gehen einige Pferde eine sehr enge Freundschaft ein. Sie schätzen ihre Anwesenheit und sind beruhigt, wenn der Hund in der Nähe ist.
Mitfühlende und spontane Kontaktaufnahme zwischen miteinander vertrauten Hunden und Pferden  ist zu beobachten, wenn z.B. der Hund große Angst, Schmerzen oder Aufregung zeigt. Wie weit wir diese Gesten „vermenschlicht” interpretieren können und als Anteilnahme, Trost oder  Mitfühlen interpretieren dürfen, sei verhaltensbiologisch dahingestellt. Wissenschaft erklärt oft nicht ausreichend die praktische Erfahrung. Langjährige Pferdehalter sind überzeugt, dass ihre Tiere Regungen zeigen, die den menschlichen sehr ähnlich sind und auch ähnlich interpretiert werden können.
    Man kann beobachten, wie Pferde z.B. einen Hund „trösten”, indem sie ihm ganz sanft das Fell kraulen oder ihm ins Fell blasen. Umgekehrt leckt so mancher Hund seinem kranken Pony zärtlich die Nase. Hier bestehen intensive Beziehungen, die durchaus artübergreifende Empathie beinhalten.